Mercedes-AMG C 63 im Test: Braves C-Klasse-Taxi oder Renngerät? (2024)

„Wenn ich Mercedes fahren will, dann rufe ich mir ein Taxi!“, sagte neulich ein Bekannter zu mir. Der Umschwung bei AMG ist noch nicht bei jedem angekommen. Doch Vorurteile gegenüber der Mercedes-Sportabteilung sind längst nicht mehr gerechtfertigt. Mit dem AMG GT S ist der engagierten Mannschaft aus Affalterbach ein großer Wurf gelungen, jetzt soll der neue Mercedes-AMG C 63 den Mittelklasse-Brennern richtig einheizen.

Mercedes-AMG C 63 mit V8-Biturbo

Zündschlüssel drehen, und dann das: Über einen Schaltstock am Lenkrad will die Siebengangautomatik in den Fahrbetrieb befördert werden. Schaltstock am Lenkrad – sorry, AMG, das schmeckt doch wieder ein bisschen nach Taxi und Birkenstock-Sandalen. Bitte beim Facelift später den eleganten Getriebewählhebel aus dem AMG GT auf der Mittelkonsole installieren!

Nicht lang aufhalten mit geschmacklichen Nebenkriegsschauplätzen. Viel interessanter ist, wie der Mercedes-AMG C 63 auf den Wechsel der Exekutive unter der Motorhaube reagiert – die ausführende Gewalt heißt ab sofort nicht mehr Achtzylinder-Sauger, sondern V8-Biturbo. „Gewalt“ trifft es – der intern M177 genannte Vierliter-V8-Biturbo mit 476PS geht wirklich gewaltig.

Turboloch? Fremdwort!

Das derb hämmernde V8-Beben des abgelösten 6,2-Liter-Triebwerks werden wir zwar nie vergessen, doch wenn der aufgeladene V8 erst einmal loslegt, vermisst man den Vorgänger nicht. Turboloch? Pah, absolutes Fremdwort. Der Biturbo marschiert drehmomentstark aus dem Drehzahlkeller los und glänzt im Test mit seiner beeindruckenden Kraftentfaltung über das gesamte Drehzahlband. Wem 476PS immer noch zu wenig sind, der findet im Mercedes-AMG C 63 S mit 510PS eine noch stärkere Alternative.

Doch zunächst muss sich der Mercedes-AMG C 63 ohne S-Schriftzug im Test beweisen. „Hat das neue Modell Lampenfieber, oder ist es der Vorführeffekt?“, fragt man sich nach den ersten Race-Starts. Hinter der bei AMG so genannten Race-Start-Funktion versteckt sich die Launch Control für eine schnellstmögliche Beschleunigung. Und trotz korrekter Aktivierung selbiger schlupft der Power-Benz mit scharrenden Hinterhufen und nur mäßiger Traktion vom Fleck. Dabei soll die optimale Anfahrdrehzahl ja eigentlich vollautomatisch eingeregelt werden und die Getriebesteuerung den Schlupf optimal anpassen. Doch die Launch-Control des Dampfhammers kann das satte Drehmoment nicht verdauen.

Der Mercedes-AMG C 63 erreicht beim normalen Anfahren, ohne Race-Start-Funktion, sogar einen besseren Beschleunigungswert: Mit 4,6 Sekunden verpasst er seine Werksangabe von 0 auf 100km/h um eine halbe Sekunde.

Schwamm drüber, wir genießen lieber, wie schnell der Druck aus acht Pötten die Tachonadel gen 300-km/h-Grenze jagt. Mit dem optionalen AMG Driver's Package wird die Höchstgeschwindigkeit nicht bei Tempo 250, sondern erst bei 290km/h elektronisch abgeregelt. Spätestens jetzt hätte sich die C-Klasse mit der Portion Extradruck des gelb-schwarzen Taxi-Schildes auf dem Dach entledigt …

Auch der Biturbo kann brüllen

Und wie sieht's auf der emotionalen Ebene aus? Das legendäre Saugmotorgebrüll zwischen den innerstädtischen Häuserwänden bleibt unerreicht, doch für ein Turbo-Aggregat kann der Neuling im Mercedes-AMG C 63 auch ganz schön Stimmung machen. Unser Testwagen trägt die optionale Performance-Abgasanlage. Anders als in der serienmäßigen Abgasanlage, mit nur einer Abgasklappe, kommen in der aufpreispflichtigen Auspuffvariante drei schaltbare Abgasklappen zum Einsatz. Je nach Fahrprogramm geht's nachbarschaftsfreundlich (Comfort-Modus) oder nachbarschaftsstreitig (Sport oder Sport+) zu.

Außerdem kann die Performance-Abgasanlage, unabhängig vom Fahrprogramm, per Tastendruck auf der Mittelkonsole angesteuert werden. Am frühen Kopfdrehen der Fußgänger liest man auch im Mercedes-AMG C 63 prima die Akustikskala ab – Auspuffbollern beim Hochschalten und herzhaftes Zwischengasrotzen beim Runterschalten sei Dank. Je nach Fahrprogramm fällt der Zwischengasstoß beim Rückschaltvorgang unterschiedlich stark aus.

Ähnlich variabel wie der Klangteppich präsentiert sich auch das Siebengang-Automatikgetriebe im Mercedes-AMG C 63. Im Comfort-Modus schaltet es bei Halbgas alltagstauglich früh und kaum spürbar hoch. Im Sport+-Modus dreht das Getriebe die Gänge länger aus und wechselt die Fahrstufen noch schneller.

Mercedes-AMG C 63 schaltet verzögerungsfrei

Und auf der Rennstrecke? In der Vergangenheit legten die AMG-Automatikgetriebe im manuellen Modus bei Erreichen der Drehzahlgrenze zu lange Schaltpausen ein und reagierten auf Hochschaltbefehle der rechten Schaltwippe nur verzögert. Um unnötige Schaltpausen zu vermeiden, musste man bereits 500 Touren früher an der Wippe ziehen – oder gleich die Automatikfunktion des Sport+-Modus nutzen. Dieses Thema ist im Mercedes-AMG C 63 nun endgültig Geschichte.

Der manuelle Modus funktioniert tadellos, und auch bei Erreichen des Drehzahllimits reagiert das Getriebe prompt auf Wippenbefehle. Viermal weiß, zweimal gelb und zweimal rot – leichtes Rennsportflair versprühen dabei die aufleuchtenden Schaltlampen im mittigen Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser.

Dass der Mercedes-AMG C 63 nicht die Taxi-Sänfte spielen will, merkt man schon im Alltag auf Querfugen und Bodenwellen. Das serienmäßige Sportfahrwerk des Sternenkriegers packt einen mit seinem Federungskomfort nicht in Watte, sondern macht sofort klar, dass der Mercedes-AMG C 63 mehr sein will als eine herkömmliche Limousine.

Schon im normalen Modus liefern die Adaptivdämpfer eine straffe Rückmeldung. Die elektronisch geregelten Stoßdämpfer bieten drei Einstellungsmöglichkeiten. Wir begrüßen den Kleinen Kurs in Hockenheim mit der straffesten Abstimmung. Serienmäßig rollt der normale Mercedes-AMG C 63 auf 18-Zöllern. Unser Testwagen trägt die optionalen 19-Zoll-Schmiederäder im Kreuzspeichen-Design.

Schnellste C-63-Limo bisher

Auf der Rennstrecke schafft es der Mercedes-AMG C 63 erstaunlich gut, sein hohes Gewicht von 1.760 Kilogramm zu verheimlichen. Trotzdem hätten wir uns eine größere Gewichtsreduktion gewünscht. In unserer Datenbank treffen wir auf eine 457PS starke Vorgänger-Limousine, die 1.772 Kilo wog. Der 2008 gemessene Mercedes-AMG C 63 absolvierte den Kleinen Kurs in 1.15,2 Minuten. Wie stark AMG die fahrdynamischen Fähigkeiten seiner Performance-Limousine weiterentwickelt hat, zeigt sich heute.

Trotz seines Gewichts lenkt der neue Mercedes-AMG C 63 im Test erstaunlich direkt ein. Die elektromechanische Servolenkung bietet dabei eine präzise Rückmeldung. Während die Lenkkräfte bei niedrigen Geschwindigkeiten leicht und komfortabel ausfallen, werden die Haltekräfte mit steigendem Tempo straffer. Die Servounterstützung agiert dabei nicht nur geschwindigkeitsabhängig. Im Sport+-Modus bietet die Lenkung ein insgesamt sportlich-strafferes Feedback. Mit dem vom Werk angegebenen Rennstrecken-Luftdruck (warm: 2,5 bar vorn, 2,3 bar hinten) beschleunigt der Hecktriebler, der serienmäßig über ein mechanisches Sperrdifferenzial verfügt, mit guter Traktion aus engen Kurven heraus.

Ein leichtes Leistungsübersteuern kann der Mercedes-AMG C 63 dabei aber genauso wenig unterschlagen wie das leichte Kurveneingangs-Untersteuern, sobald die Reifen dem Gewicht Tribut zollen müssen. Nach drei Runden beginnt das Gripniveau nachzulassen. Die Bremsanlage schlägt sich hingegen tadellos. Der Pedalweg bleibt konstant, die Bremse gut dosierbar.

Mit einer Rundenzeit von 1.13,3 Minuten (bei 28 Grad Celsius ermittelt) unterbietet der Mercedes-AMG C 63 sogar die 507PS starke Vorgänger-Limo C 63 AMG Edition 507 (1.13,8 min.) deutlich und kürt sich zur schnellsten bisher von sportauto gemessenen C-63-Limousine. Und das 510PS starke S-Modell mit Cup-Reifen kommt ja erst noch. Wenn einer die C-Klasse noch einmal als Taxi verunglimpft, dann doch bitte als Renntaxi!

Fazit

Man kann es nicht oft genug betonen: Bei AMG geben sie gerade richtig Gas. Im Vergleich zum Vorgängermodell hat der Mercedes-AMG C 63 vor allem aus fahrdynamischer Sicht einen richtigen Schritt nach vorn gemacht. Trotz des recht hohen Gewichts von 1.760 Kilogramm legt die Mittelklasse-Limousine eine erstaunliche Fahrdynamik an den Tag und muss sich auch vor der Konkurrenz aus München nicht verstecken. Nur beim Thema Gewicht könnte der C 63 noch mehr an sich arbeiten. Der bisher einzige bei uns gemessene BMW M3 der aktuellen Baureihe wog mit Handschalter 1.582 Kilo (Rundenzeit: 1.13,1 Minuten).

Technische Daten

Mercedes C 63 AMG AMG
Grundpreis76.101 €
Außenmaße4686 x 1810 x 1442 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung350 kW / 476 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch8,2 l/100 km

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